Seit 15 Jahren arbeite ich von zu Hause aus. Für viele Leute, die ich so treffe, hört sich das nach einem wahren Traum an. Endlich Zeit für den Haushalt nebenbei, mehr Freizeit, Unabhängigkeit, der Chef auf Distanz. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus?
Eines vorweg, wenn es mir nicht zusagen würde, dann würde ich es nicht bereits seit 15 Jahren machen, aber wo immer Licht ist, da ist auch Schatten.
Fangen wir mal beim „Licht“ an:
Durch das Home Office war es mir möglich Jobs anzunehmen, die ich sonst nicht hätte annehmen wollen oder können. Ich selbst arbeitete so für Firmen, deren Büro – wenn es denn überhaupt eines in Deutschland gab – viele hundert Kilometer entfernt lag. Im Moment sind es zwischen mir und Firmensitz 509km.
Der morgendliche und abendliche Stress im Berufsverkehr bleibt mir erspart und das spart auch ein wenig Geld, dass ich aber an anderer Stelle ausgebe.
Jeder der Jobs, die ich bisher hatte, beinhaltete eine teils sehr ausgedehnte Reisetätigkeit, d.h. meine Home Office-Zeit wird durch viel Reisezeit ein wenig ausgeglichen. Das Licht ist hier, dass die lange Abwesenheit in einer Woche, mit ein wenig mehr „Anwesenheit“ in der nächsten Woche ausgeglichen werden kann. Frühstück und Mittagessen mit der Familie, ist tatsächlich positive Anwesenheit und kann ein wenig für die Abwesenheit entschuldigen.
Man hat viel persönliche Freiheit, der Handwerkerbesuch, der Paketbote, viele der Dinge, die bei einem normalen Bürojob schnell zur Last werden, können tatsächlich nebenbei erledigt werden, wenn sie keine echte Zeit in Anspruch nehmen. Meine größte Freiheit ist es, dass ich zur Mittagszeit meist eine Runde radeln gehe – 30 Minuten, damit das Herz mal richtig pumpt, und am Ende hat es eine Dusche.
Aber da ist auch Schatten:
Fast immer schleicht sich deutliche Mehrarbeit (lies Überstunden) ein und diese ist für die Kollegen im Büro und so den Vorgesetzten meist unsichtbar. Die Zeit, die man nicht auf dem Weg zur Arbeit verbringt, verbringt man oft auf der Arbeit, in meinem Fall noch deutlich mehr. Andere können das nicht wirklich sehen, denn man sitzt ja nicht im Büro.
Die Arbeit ist immer präsent. Wenn man das Büro am Arbeitsort verlässt, ist die räumliche Trennung oft eine gute Möglichkeit auch die Arbeit ein wenig zurückzulassen. Das gelingt sicher nicht immer und viele, die das lesen schauen vielleicht auch Abends noch mal aufs Handy oder den Laptop. Trotzdem, je nach Möglichkeiten in der eigenen Wohnung, ist der Home Office Arbeitsplatz immer sichtbar und man könnte doch noch schnell die eine eMail fertig schreiben, oder schnell am Samstag ein wenig „aufarbeiten“, was die Woche über liegengeblieben ist.
Der direkte Kontakt zu den Kollegen fehlt. In meinem letzten Job, war ich auf Reisetätigkeit oft mit Kollegen aus dem Verkauf unterwegs, so dass ich das ein wenig ausgleichen konnte. Heute ist es so, dass mein direkter Kontakt zu den Kollegen hauptsächlich über Slack & Videokonferenzen stattfindet – es sei denn ich fahre ins Büro. Für unser Team im Büro ist somit mein Kollege, der im Büro sitzt, oft der erste Ansprechpartner.
Man gibt ne ganze Menge Geld für Zeug aus, das im Büro einfach so da ist. Je nach Arbeitgeber stellt der Chef durchaus einen Laptop und vielleicht einen Drucker, aber Schreibtisch, Stuhl & Co steht da meist nicht auf der Tagesordnung und will man wirklich jede Packung Kopierpapier auf die Spesenrechnung setzen?
Wie zum Erfolg?
Eine räumliche Trennung ist auch zu Hause – zu mindestens aus meiner Sicht – unabdingbar. Ohne extra Arbeitszimmer geht es einfach nicht, man muss die Tür auch mal schliessen können, damit man seine Ruhe hat. Nicht, dass ich meine Kinder nicht liebe, aber die beiden wissen genau, dass ich nicht gestört werden will, wenn die Bürotür geschlossen ist. Dafür darf man auch mal bei der Mathehausaufgabe nachfragen, wenn die Tür auf ist.
Wer also glaubt, man habe sich die Fahrtkosten gespart, der irrt, denn meistens gibt man mindestens so viel für extra Wohnraum aus, der eigentlich Arbeitsraum ist.
Diese räumliche Trennung ist aber aus meiner Sicht wichtig für den Erfolg im Home Office. Wer das Home Office im Schlaf- oder Wohnzimmer ansiedelt und Familie hat, der wird seinen Kindern kaum beibringen können, dass man jetzt gerade nicht gestört werden kann und selbst wenn die Tür offen steht, ist man halt doch nicht da.
Wann immer möglich, sollte man Möglichkeiten finden, das IT Equipment nicht zwischen Arbeit und Privatleben zu teilen. In meinem aktuellen Job nutze ich meinen eigenen Laptop, im Wohnzimmer steht noch ein Computer. Diese räumliche Trennung und die Trennung des Gerätes hilft mir, Job von Privaten zu trennen, selbst wenn mir beide Geräte gehören und selbst, wenn der iMac viel langsamer ist, als der Laptop auf der Arbeit.
Besuche im „Mothership“ sind unendlich wertvoll, wenn das der Chef nicht versteht, such Dir einen neuen Job. Ich hatte oben schon geschrieben, dass mein Kollege im Büro oft der Ansprechpartner für andere ist, aber es gibt nun mal Dinge, die ich zu verantworten habe und so ist es gut, wenn man gesehen wird. Für mich bedeutet dies, dass ich mindestens einmal alle zwei Monate (öfter ist dabei besser) mich auf den langen Weg nach Delft mache und dort einige Tage verbringe.
So schön Slack ist, so gut tut es anwesend zu sein. Eine Unterhaltung über eine Tasse Tee ist manchmal viel wertvoller, als alles andere. Im Büro mach ich „Raucherpausen“, obwohl ich gar nicht rauche. Gerade bei schönem Wetter treffen sich die Kollegen draussen und man mag gar nicht glauben, was ich da schon alles besprechen konnte, wofür ich sonst eine Task in Jira aufmachen muss :)
Diese kleinen Interaktionen sind viel größer und wichtiger, als man sich das auf den ersten Blick vorstellen mag und Dein Chef sollte das verstehen, wenn er Dich im Home Office sehen will.
Struktur, Struktur, Struktur: Bürozeiten sind Pflicht! Deine Kollegen müssen sich darauf verlassen können, dass Du ansprechbar bist. Egal, wie Deine Bürozeiten aussehen, du solltest diese so oft es geht einhalten. Diese Zuverlässigkeit ist auch für Dich wichtig, denn die räumliche Trennung zwischen Privat und Geschäft ist nur dann Erfolgreich, wenn es auch eine zeitliche Trennung gibt.
Und zu guter letzt: Wenn Dir Dein Job kein Spaß macht und Du keine Erfüllung darin findest, dann hälst Du es im Firmenbüro nicht aus, aber im Home Office macht es Dich kaputt.
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